Der Donner hallte von den hohen Bergen wider, von denen wir umzingelt waren. So ein Gewitter muss man mal mitgemacht haben. Es ist nicht mit „normalen“ Gewittern im Flachland zu vergleichen. Auch der aufkommende Sturm war extrem beeindruckend. Durch die Schlucht pfeifte der Wind und lies die Bäume akrobatisch hin und her wippen. Es war mitten in der Nacht, als uns „der Himmel auf den Kopf“ fiel. Da wir aber am Vorabend noch beschlossen, am heutigen Tag nochmals eine Pause einzulegen, waren wir nicht sonderlich besorgt, dass wir nicht genug Schlaf bekommen würden. Der Gewittersturm dauerte noch ungefähr bis drei Uhr Morgens. Während Thorsten noch in der Campingplatzverwaltung Wache hielt, verkroch ich mich nach einiger Zeit wieder im Zelt und schlief auch rasch ein.

Aussicht am Campingplatz Alpencamp-Marienberg

Die Aussicht von unserem Zeltplatz aus. Einzig die Hochspannungsleitungen waren etwas im Weg.

Der Tag begann sonnig und warm. Bereits nach kurzer Zeit war es unerträglich heiß im Zelt. Nach einer erfrischenden Dusche fuhr ich runter ins Dorfzentrum von Bieberwier und holte im Supermarkt Brötchen und eine Schokomilch. Die gab es da zumindest noch. Später werde ich vergeblich nach Milchgetränken suchen, denn das scheint in Südtirol wohl niemand zu kennen. Nach einem ausgedehnten Frühstück erkundeten wir ein bisschen die Gegend und ruhten uns auf den Matten vor unseren Zelten aus. Nachmittags fing es dann wieder an zu regnen. Glücklicherweise gab es bei der Campingplatzverwaltung eine Bank mit Vordach vor dem Gebäude, die wir für die nächsten Stunden in Beschlag nahmen. Am frühen Abend stießen dann zwei Wanderer zu uns. Die Zugspitze war ihr heutiges Ziel; schon zum zweiten Mal. Leider mussten sie auch dieses Mal wieder abbrechen, weil ihnen das Wetter einen Strich durch die Rechnung machte. Das waren wohl die Vorläufer des Nachmittagregens. Wir kamen ins Gespräch und nach einiger Zeit stellte sich heraus, dass die beiden Neffe und Onkel waren, die aus dem Kölner Raum stammen. Zuderm schien der Ältere von ihnen nur ein paar Straßen weiter von Thorsten zu wohnen. Wie klein doch die Welt ist…

Da sich das Wetter inzwischen wieder gebessert hatte, beschlossen wir zusammen Abend zu essen – nicht in einer Gaststätte, sondern in klassischer Campingmanier: Thorsten holte Tomaten, Pilze, Würste und Getränke aus dem örtlichen Supermarkt, ich machte noch ein paar Nudeln fertig. Wir ließen es uns an diesem Abend sehr gut gehen, bei dem wir auch viel gelacht haben. Nach dem Spülen ging es dann auch recht zügig ins Bett – dieses Mal auch ganz ohne Gewitter.

Fernpass voraus

Am nächsten Morgen standen wir wieder relativ früh auf. Der Fernpass stand heute auf dem Plan. Daher wollten wir spätestens um sieben Uhr los fahren, um die erste Etappe des Tages noch in der kühlen Morgenluft zu schaffen. Auf einem kleinen asphaltierten Weg links neben der Bundesstraße verlief der Weg in Richtung Fernpass. Nach einigen Kilometern Anstieg erreichten wir das berühmte Fernpass-Gatter, hinter dem der Schotterweg für Mountainbiker anfängt. Da die Bundesstraße gut befahren wird, war die Ruhe und Abgeschiedenheit eine willkommene Abwechslung. Aufgrund des starken Regens vom Vortag trat der Weissensee, welcher sich kurz hinter der Absperrung befindet, leicht über die Ufer. Hätte es stärker geregnet, wäre der Weg wohl unpassierbar gewesen. Der Weg war gut ausgeschildert und wies unterschiedliche Anstiege vor. Einmal ging es leicht nach oben, dann wieder richtig ordentlich. Je höher man kommt, desto grober wird der Schotter. Für Rennräder ist die Strecke absolut nichts. Relativ zu Beginn der Fernpass-Strecke gibt es auch eine Weggabelung. Hier hat man die Möglichkeit die alte Römerstraße zu nehmen, welche grober und nicht so gut ausgebaut ist wie die später angelegte Schotterroute. Von der Länge her unterscheiden sich beide Wege nur um knapp drei Kilometer und führen auch vor dem „Gipfel“ wieder zusammen. Aufgrund unserer Trekking-Räder entschieden wir uns für die Schotter-Variante.

Nach knapp zwei Stunden Aufstieg, bei dem wir teilweise sogar durch Wolken gefahren sind, die den Berg nach Bieberwier herabsanken (hätte nicht gedacht, wie kalt es in den Dinger werden kann!), erreichten wir schließlich unser erstes Tagesziel: Den „Gipfel“ des Fernpasses. Wir standen an der berühmten Stelle, an der man auf die Bundesstraße und das Tal hinabblicken kann. Trotz der Wolken, die uns den Blick nach oben versperrten, war die Aussicht grandios.

Nach ein paar Minuten Genießen rappelten wir uns wieder auf und fuhren in Richtung Abfahrt. Die war genauso spektakulär wie die Auffahrt, nur hatte ich da mehr Muße zu Fotografieren :-). Der Schotter war nicht all zu grob wie auf der anderen Bergseite, daher konnte man mit gutem Tempo nach unten rollen. Man darf die Abfahrt totz alledem nicht unterschätzen, denn der Abhang war immer nur ein paar Meter entfernt. Die Abfahrt führte am Berghang entlang, sodass wir einmal um das Tal herumfuhren, bevor es wieder in Richtung Süden ging. Dabei gab es immer wieder tolle Stellen, an denen ich einfach ein Foto machen musste. Inzwischen waren auch die Wolken verschwunden, sodass immer mehr vom blauen Himmel zu sehen war.

Zaun Felswand Fernpass

Frisch aufgearbeiteter Weg an der Bergwand entlang.

Wagenspuren Römer

Die Wagenspuren der Römer – im Stein verewigt.

Vor einigen Jahren wurde der Holzzaun an der Bergwand erneuert. Mit der immer höher aufgehenden Sonne ergab das auch tolle Bilder. Das ist ungefähr auf Höhe des Samaranger Sees. Ein weiteres Highlight dieser Etappe waren die Wagenspuren der Römer, die sich im Stein verewigt haben. Ein Relikt aus der Vergangenheit. Immer weiter ging es bergab. Plötzlich fanden wir uns auf einer Schotterebene wieder. Soweit das Auge reicht gab es nur graue Steine, Baggerspuren und Berge zu sehen. Das musste irgendein Abbau-Gebiet gewesen sein, dass die Talfahrt durchquerte. Vielleicht kann mich da jemand von Euch aufklären, was da genau gefördert oder gebaut wurde (das war irgendwo zwischen dem Fernsteinsee und Nassereith). Schließlich bekamen unsere Reifen wieder festen Asphalt unter das Gummi; der Ort Nassereith war erreicht. Dort gönnten wir uns gegen 10:30 Uhr Vormittags ein kleines Frühstück bei strahlendem Sonnenschein.

Zwischen den Bergen

Bei den nächsten Kilometern hätte ich jede fünf Minuten anhalten können. Einfach nur eine tolle Landschaft. Dank des guten Wetters bot sich uns ein atemberaubendes Bergpanorama. Grüne, saftige Wiesen und ein warmes Lüftchen machten den Tag perfekt. Hier ein paar Bilder, um den Eindruck etwas zu vermitteln.

Wir fuhren von Nassereith auf Fahrradwegen nach Imst. Von ging es entlang der Inntalbahn (A12) in Richtung Landeck. Viele Wanderer und Fahrradfahrer kamen und dabei entgegen. Trotz der relativ lauten Autobahn lies es sich sehr entspannt fahren. Nach einigen Kilometern verschwand sie schließlich im Berg. Vor uns tat sich eine Gewitterwolke auf. Wir ahnten schon, dass wir an der wohl kaum vorbei kommen werden, da sie ja auch wie wir zwischen zwei Bergwänden gefangen war. Als wir so vor uns hinfuhren, machten wir an einem kleinen „Radlerbrunnen“, kurz vor Landeck, eine Bekanntschaft, die uns bis nach Meran begleiten sollte: Gunter. Woher er genau stammte weiß ich leider nicht mehr. Auch er fuhr die Via Claudia Augusta ab. In Landeck angekommen öffneten sich die sprichwörtlichen Schleusen: Es goss aus allen Kübeln. Glücklicherweise fanden wir einen kleinen Garagenunterstand, an dem wir den Regen abwarten konnten.

Fahrradweg Landeck

Kurz vor Landeck kündigte sich das Gewitter an.

Nachdem wir in Landeck gleich Mittag gemacht haben, fuhren wir nach ein paar Orientierungsschwierigkeiten weiter gen Süden. Unser Tagesziel war einer der Campingplätze an der Schweizer Grenze. Wir wollten noch so viel Strecke wie möglich schaffen, weil der Reschenpass nicht mehr all zu weit entfernt war. Also fuhren wir gegen 14:00 Uhr Nachmittags wieder weiter in Richtung Südosten. Dabei fing es immer wieder mal an zu regnen.

Brücke Inn

Hinter Landeck überquerten wir einige Male den Inn.

Nach einigen Stunden Fahrt kamen wir in Prutz an. Dort gab es eine Heilquelle, die „Sauerbrunn Prutz“ genannt wird. Ein reger Menschenauflauf war um diese Quelle versammelt, alle mit leeren Flaschen in der Hand. Wie wir später erfuhren, ist das eine beliebte Heilquelle, die sich direkt neben einem Campingplatz befindet. Gefunden wurde sie im Jahr 1212, durch die Gemeinde wurde sie im Jahr 1750 erschlossen. Da unsere Wasservorräte ziemlich leer waren, füllten wir sie dort auf. Es gab zwei Wasserspender, jeweils mit normalem Leitungswasser und einer mit dem besagten Heilwasser. Ich probierte davon und war kurz davor es wieder als Gießwasser zu verwenden. Man muss sich an den Geschmack, bei dem hauptsächlich Eisen und Schwefel dominieren, erst gewöhnen. Nach einer Zeit ging es dann.

Da es erst gegen 17:00 Uhr war und wir noch Lust hatten weiterzufahren, beschlossen wir weiter nach Pfunds zu fahren. Das wäre der letzte Campingplatz vor dem Reschenpass. Gesagt, getan. Die letzten Kilometer waren nochmal etwas anstrengend, weil sich nach gut acht Stunden Fahrt nun doch jeder kleinere Anstieg bemerkbar machte. Dafür gab es wieder tolle Aussichten zu bewundern – und noch immer schlängelte sich der Inn zwischen den Bergen entlang.

Angekommen

Schließlich kamen wir gegen 20:00 Uhr in Pfunds an. Recht viel weiter wären wir an diesem Tag wohl auch nicht gekommen. Der Campingplatz „Via Claudiasee“ in Pfunds ist ein relativ großes Areal. Zu der Zeit, als wir dort aufschlugen, fanden scheinbar Bauarbeiten statt, denn die Sanitärräume waren mehr zusammengestellt als ordentlich aufgebaut. Fünf oder sechs Duschen (je Geschlecht) standen für den gesamten Campingplatz zur Verfügung. Enge Räume mit Plastikkabinen, in denen man sich kaum richtig umdrehen kann. Aber der Zustand sei den Bauarbeiten geschuldet. Hoffentlich. Immerhin gab es warmes Wasser.

Überraschenderweise trafen wir auch wieder auf „alte Bekannte“: Die fünfköpfige Familie und das Ehepaar aus Landsberg am Lech campierten nicht weit von unserem Platz. Wir konnten sie trotz unseres Pausentages doch noch gut einholen. Immerhin waren es heute auch knapp 90 Kilometer. Da der Campingplatz etwas abseits des Dörfchens lag und wir nicht mehr zurückfahren wollten, um uns dort ein Restaurant zu suchen, gönnten wir uns am Campingplatz-Laden eine Pizza. Gegen 22:00 Uhr legten wir uns dann schließlich ins Zelt – immerhin stand am nächsten Morgen der Reschenpass auf dem Plan.

Via Claudiasee

Abschlussfoto des Tages vom Campingplatz „via Claudiasee“ in Pfunds.

 

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