Es war ein sonniger Morgen. Der Wetterbericht hatte für diesen Tag Regen angesagt. Eigentlich wollten wir weiter in Richtung Süden, doch nach kurzer Beratschlagung beschlossen wir den Tag am Campingplatz zu verbringen. Der Vormittag war sonnig und warm, daher nutzen wir die Zeit um unsere Wäsche zu waschen. Die wurde auch noch rechtzeitig vor dem Regen trocken. Ansonsten ist von dem Tag nichts Spannendes zu berichten.

Auf nach Österreich

Am nächsten Morgen standen wir (mehr oder weniger) früh auf, um schnell weiter gen Süden fahren zu können. Kurz nach sechs Uhr waren wir abfahrbereit. Die kühle Morgenluft peitschte uns ins Gesicht, als wir an den wartenden Schulkindern vorbei fuhren. Die Landschaft ließ uns nun endgültig wissen, dass wir am Fuße der Alpen angelangt waren. Immer wieder ging es rauf und runter, glücklicherweise größtenteils auf asphaltierten Wegen. Nach gut zwei Stunden erreichten wir Füssen – und damit die Grenze zu Österreich.

Blick auf Neuschwanstein und Hohenschwangau

Am frühen Morgen im Schatten der Berge: Neuschwanstein und Hohenschwangau.

In Füssen selbst suchte ich erstmal nach einem Fahrradgeschäft. Meine Luftpumpe hatte nach etlichen Jahren Dienst ihren letzten Luftstoß getan. Angesichts der noch anstehenden Strecke wollte ich es nicht riskieren, ohne Pumpe weiterzufahren. Es gab drei Geschäfte, die allerdings erst alle um neun Uhr öffneten. Wir beschlossen, in einem Cafè zu frühstücken (passend zur Tour nahmen wir beide das „Fitness-Frühstück“ 😉 ).

Der Lechfall bei Füssen

Direkt vor der Grenze nach Österreich gut zu sehen: Der Lechfall.

Nachdem ich eine neue Pumpe mein Eigen nennen durfte, machten wir uns Richtung Reutte in Tirol auf. Die Straße über die Grenze nach Österreich war alles andere als ruhig: Immer wieder hielten Busse an und ließen Touristen am Lechfall aussteigen. Weil es nachts geregnet hatte, war das Wasser leider nicht so schön blau, sondern eher eine matsch-braune Brühe. Wir fuhren die Straße hinunter, immer am Ufer des Lechs entlang. Irgendwann kamen wir auf einen Fahrradweg, der abseits der Hauptstraße und des Lechs entlang führte. Es dauerte nicht lange, bis wir vollständig von Bergen umgeben waren. Neben der Landschaft änderte sich auch die Architektur der Wohnhäuser. Wir fuhren zunehmend an Fachwerkhäusern und typischen, alten Bauernhäusern vorbei.

Auf dem Weg nach Reutte in Tirol

In Österreich ist der Weg gut asphaltiert. Ab und zu kommt ein Auto oder Traktor entgegen. Tolle Landschaften!

Vorgeschmack auf den Fernpass

Nach ein paar Kilometern kamen wir auf eine ruhige Landstraße, die „Kniepaßstraße“. Dort lag der erste von mehreren steilen Anstiegen des Tages, die Sternschanze bei Oberpinswang. Die Etappe nach oben ist nicht lang, aber dafür hat sie (gefühlt) ordentliche Steigung (laut Strava waren es sieben bis neun Prozent). Oben angekommen ging es erfreulicherweise sanft abwärts, unter der B179 nach Pflach hinein. Dort fuhren wir, nun wieder im Tal, weiter Richtung Süden, umgeben von Bergen. Reutte in Tirol war unser nächstes Ziel, das wir gegen 11:00 Uhr erreichten. Wir suchten uns dort einen Supermarkt und kauften etwas Obst und kühle Getränke. Kurze darauf trafen wir die fünfköpfige Familie aus Landsberg am Lech wieder, die ebenfalls die Via Claudia Augusta mit dem Fahrrad abfuhren. Auch sie machten am Billa (dem Supermarkt) eine kurze Pause. Nach einem kurzen Plausch fuhren wir dann auch schon weiter.

Die nun folgenden zwei Etappen werde ich wohl nie vergessen. Als wir Reutte südlich verließen, führte uns die Karte einen Schotterweg entlang, der eine dermaßen strake Steigung aufwies, wie ich sie bis dato noch nie gesehen hatte. Parallel zur B179 führte dieser Weg die Fernpassstraße hinauf. Die Steigung war für uns nicht dauerhaft auf dem Fahrrad sitzend zu meistern, daher war es mehr Geschiebe als Gefahre. Man kann sich vielleicht vorstellen, wie anstrengend es ist, sich mit einem 30 Kilo-Fahrrad auf 2,6 Kilometer Länge bei (lt. Strava) 18-31 Prozent Steigung hoch zu quälen. Nach einer guten halben Stunde waren wir endlich oben – naja, zumindest dachten wir das.

Die "Highline179" bei Reutte in Tirol

Die ehemals längste Hängebrücke Europas mit über 400 Metern Länge auf einer Höhe von 110 Metern.

Wir erreichten die „Highline179„, ehemals die längste Hängebrücke Europas. Sie hängt 110 Meter quer über der B179 südlich von Reutte in Tirol bei Klause und ist über 400 Meter lang. Ein imposanter Anblick, wenn man unter ihr steht. Nicht weit entfernt ist auch die Burg Ehrenberg, die allerdings historisch nichts mit der Brücke zu tun hat. Wir fuhren durch den vollen Parkplatz, von denen jedes Auto ein anderes Kennzeichen hatte. Belgien, die Niederlande, Italien, die Schweiz, Dänemark, sogar Spanien und Portugal waren vertreten; bestimmt habe ich ein paar Länder vergessen. Halb Europa war hier versammelt. Nachdem wir den „Touristenplaza“ durchfahren haben, standen wir der nächsten Wand zu Füßen. Sie sollte ein erster Vorgeschmack auf den anstehenden Fernpass sein.

Auf und nieder, immer wieder…

Stolze 16 bis 29 Prozent (lt. Strava) betrug hier die Steigung. Sie wurde ebenfalls für die Fußgänger und Radfahrer parallel zur Fernpaßstraße angelegt und führt durch die Schluchten weiter gen Süden. Ich strampelte im ersten Gang, was dank Asphalt überraschenderweise wesentlich besser ging als bei Schotter. Während ich in Schräglage eine kurze Verschaufspause machte, überholte mich, wie ganz selbstverständlich, die junge fünfköpfige Familie wieder, die wir kurz davor in Reutte wieder getroffen hatten. Ich staunte nicht schlecht, als auch der Papa den Jüngsten anschob und zusätzlich den Anhänger mit dem Zelt hinter sich herzog. Der Mann hatte ordentlich Kondition! Auf diesem Anstieg trafen wir auch die estnische Gruppe wieder, die wir ebenfalls in Landsberg am Lech das erste Mal trafen und ihnen seitdem immer wieder „über den Weg fuhren“.

Auf dem nächsten Plateau wechselte der Boden wieder auf Schotter. Ein kurzes Stück geradeaus, dann wieder eine langgezogene Steigung: Der Anstieg nach Heiterwang (mit „nur“ sechs bis neun Prozent Steigung). Die Sonne knallte vom Himmel und die Beine meckerten über die andauernde Belastung. Zusammen mit der etnischen Truppe erklommen wir den Anstieg und blickten auf das „Tal“ hinab (das ist eigentlich kein richtiges Tal, weil es nur marginale Höhenunterschiede sind). Einer kleinen Bergabfahrt in das Dorf hinein folgte ein asphaltierter Weg an der Bahnlinie der ÖBB entlang. Wir folgten ihr bis Bichelbach, dort gab es einen kleinen Supermarkt. Wir deckten uns wieder mit Obst und einer kleinen Erfrischung ein. Der Nachmittag war angebrochen und die Sonne erreichte ihren Zenit – von der Hitze ganz zu schweigen. Ratet mal, wer uns dort wieder einholte. Richtig, die fünfköpfige Familie, die wir zwischenzeitlich überholt hatten.

Blick auf die Zugspitze bei Ehrwald

Ein wunderbarer Blick auf die Zugspitze. Vor uns auf dem Weg ist übrigens die erwähnte fünfköpfige Familie zu sehen.

Nun folgte ein Auf und Ab. Mal gab es kurze Anstiege, dann wieder eine sehr gewagte Abfahrt auf Schotter. Gefährlich war sie deswegen, weil es Abflussrinnen im Weg gab. Kam man da mit dem Vorderrad rein, wären Schürfwunden wohl das kleinste Problem gewesen. Zusammen (die Familie und wir) fuhren wir Richtung Ehrwald, das nächste, größere Dorf. Auf dem Weg dorthin hatten wir dank bestem Wetter einen wunderbaren Blick auf die Zugspitze, der die Mühen des Tages mehr als aufwog. Während die fünfköpfige Familie in Lermoos campierte, war unser Tagesziel nur ein Dorf weiter: Bieberwier.

In Bieberwier angekommen

In Bieberwier gibt es zwei Campingplätze. Der Weg dorthin verlief auf einem gut geschotterten Weg an einem kleinen Bach entlang. Am Rand waren immer wieder Infotafeln zur Via Claudia Augusta aufgestellt. Der erste Campingplatz war direkt am Ortseingang. Als wir ihn erreichten, sah alles recht verlassen aus. Ein paar Wohnwagen standen rum, aber nirgends war ein Schild oder so etwas wie eine Rezeption zu sehen. Wir beschlossen weiter zum zweiten Platz zu fahren. Was wir allerdings nicht wussten war der Anstieg, den wir dahin bewältigen mussten. Bieberwier liegt direkt auf einer Steigung, die zwar an vielen Stellen abgeflacht ist, aber auf den Wanderwegen deutlich zu sehen – und spüren – war. Ich kann euch gar nicht sagen, wie froh Thorsten war, als wir dort gegen 16:30 Uhr endlich ankamen (’ne, Thorsten? ;-p ). Um ehrlich zu sein hatte ich für diesen Tag auch genug. Über 1.000 Höhenmeter hatten wir auf einer Distanz von knapp 65 Kilometern überwunden. Als Belohnung gab es eine tolle Aussicht direkt vor dem Zelteingang – wenn da nicht die Hochspannungsleitungen gewesen wären… .

Aussicht am Campingplatz Alpencamp-Marienberg

Die Aussicht von unserem Zeltplatz aus. Einzig die Hochspannungsleitungen waren etwas im Weg.

Wir campierten am Alpencamp-Marienberg. Was wirklich positiv auffiel, waren die äußert gepflegten und großen Sanitäranlagen. Auch der Preis für die Übernachtung war in Ordnung. An diesem Abend unternahmen wir nichts mehr. Nachdem das Zelt aufgebaut war, ruhten wir uns ein wenig aus. Ich ging Duschen und machte mir anschließend Wasser in einem Topf heiß. Dort schüttete ich die Fertignudeln mit Käse-Sahne-Soße in den Topf, die ich im Supermarkt gekauft hatte. Anschließend noch ein schneller Cappuccino (aus der Tüte) und das Geschirr abgespült. Inzwischen war es auch schon 21:00 Uhr und ich verkroch mich so langsam ins Zelt. Wir hatten zwischenzeitlich diskutiert, ob wir morgen nochmal einen Tag Pause machen sollten oder direkt weiterfahren. Es kristallisierte sich schließlich die Entscheidung heraus, dass wir auch morgen nochmals eine Pause einlegen werden. Naja, angesichts der heutigen Anstiege und des anstehenden Fernpasses war das vermutlich auch besser so. Dazu aber im Beitrag vom nächsten Tag mehr.

Nochmal testweise: